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Bauen & Modernisieren

Umnutzung statt Neubau

Herr Eickmann, worin liegen die Unterschiede zwischen einem Neubau und der Umnutzung von historischen Bestandsgebäuden?

Das Kostenrisiko ist bei einer Umnutzung deutlich höher als bei einem Neubau: durch Denkmalschutzauflagen, Altlasten im Baugrund oder womöglich vorhandene Gebäudeschadstoffe. Der zweite Faktor ist die Terminschiene für die umfangreichen Bestands- und Voruntersuchungen. Es dauert erheblich länger, Planungssicherheit zu erreichen. Und der dritte Punkt: die Nutzungseinschränkungen durch historische Konstruktionen. Oft entsprechen diese nicht mehr den heute gültigen Statik-, Schall- und Wärmeschutznachweisen.

Welche Hürden kann der Bebauungsplan beinhalten?

Da wird immer erst einmal geprüft: Ist überhaupt Planungsrecht vorhanden? Gibt es einen gültigen Bebauungsplan für dieses Gebiet, in dem die Nutzung bereits geregelt ist? Ist das ein reines Wohngebiet oder ein Mischgebiet? Oder muss erst ein vorhabenbezogener Bebauungsplan erstellt und genehmigt werden? Wenn diese Hürde genommen ist, bleibt das Risiko, dass dieses ganze Verfahren unglaublich lange dauert. Die Planung muss ja vorab vorgelegt werden und dann auch vom Stadtparlament beschlossen werden. Das ganze Verfahren zieht sich unter Umständen über zwei oder drei Jahre.

Welche Auflagen macht der Brandschutz bei der Umnutzung der Objekte?

Wenn man ein historisches Gebäude von der Nutzung her so lässt, wie es war, ist es eigentlich relativ unkritisch. Führt man aber – wie zum Beispiel bei unserem Projekt "Altes Gericht" – für ein ursprünglich öffentliches Verwaltungsgebäude eine neue Nutzung ein, kann das kompliziert werden. Das betrifft beim Brandschutz insbesondere die Anzahl der Fluchtwege, die Bildung von Brandabschnitten, Beurteilung des Feuerwiderstands, Ertüchtigung von Bauteilen und auch eventuelle Auflagen für Brandmeldeanlagen, Sicherheitsbeleuchtung usw. Die Abstimmungen sind sehr umfangreich und die wesentliche Grundlage der Genehmigungsfähigkeit.

War die Statik des Alten Gerichts noch zeitgemäß? Wie stellte sich der Umgang mit den historischen Bauunterlagen dar?

Beim "Alten Gericht" haben wir eine sehr solide, massive Bauweise: Die tragende Struktur ist intakt und solide ausgelegt. Es gab allerdings keine Nachweise der Statik mehr. Nach der hessischen Bauordnung muss aber für eine Umnutzung ein statischer Nachweis vorgelegt werden. Wir mussten also z.B. teilweise das Dachgeschoss rückbauen, Decken aufschließen, Bauteile entnehmen und Probebohrungen machen. Auch Belastungsversuche wurden durchgeführt, um die tragende Struktur zu analysieren und damit dann einen neuen statischen Nachweis zu erbringen.

Kann dieses historische Gebäude noch heutigen Energiesparauflagen gerecht werden?

Ein ganz klares Nein. Heutige Auflagen würden eine Dämmung der Außenfassade voraussetzen, und die Putzfassade mit Naturstein und Ziegelmauerwerk des Alten Gerichtes steht – wie das ganze Gebäude – unter Denkmalschutz. Deshalb kann man den Energiesparauflagen einfach nicht gerecht werden. Aber es ist doch möglich, erhebliche Verbesserungen zu erzielen. Zum Beispiel durch Ertüchtigung der Fenster oder des Daches und vor allen Dingen der Gebäudetechnik: Wir nutzen jetzt Fernwärme.

Man muss in einem umgenutzten und sanierten Haus seine Ansprüche nicht zurückschrauben.

Bernhard Eickmann

Wie gehen Sie mit den Zielkonflikten zwischen Denkmalschutz und Wirtschaftlichkeit um?

Es ist durchaus so, dass man die ausgetretenen Wege verlassen und neue Ideen einbringen muss. Man sollte den Nachhaltigkeitsfaktor von Altbauten berücksichtigen. Wenn man einen Rohbau hat, der schon fertig dasteht – seit 120 Jahren –, das ist ein Wert an sich. Nach der Reaktivierung kommen noch einmal 50 oder 60 Jahre hinzu. Es ist in jedem Fall Verhandlungsgeschick gefragt. Bei einer Mischnutzung kann man mit der Denkmalpflege zum Beispiel unterschiedliche Auflagen aushandeln. Das ist immer ein Ausloten. Die gemeinsame Schnittmenge muss auskömmlich sein. Aber klar ist auch: Wirtschaftlichkeit ist für den Denkmalschutz kein vordringliches Kriterium.

Was spricht nach Ihrer Überzeugung für das "Wohnen im Denkmal"?

Erst mal natürlich der Charme und das Ambiente eines historischen Gebäudes. Und, speziell auch bei dem Projekt "Altes Gericht", die hervorragende, zentrale Lage mit kurzen innerstädtischen Wegen. Außerdem genießt man trotz der historischen Mauern den modernen Komfort einer Tiefgarage, von Aufzügen und von Fernwärme. Man muss in einem sanierten Haus seine Ansprüche nicht zurückschrauben. Aber ein gewisses Faible für das geschichtsträchtige Umfeld sollte man schon mitbringen.